Das Reisethema

Geschichte in Geschichten:
Schwäbische Reichsstädte VI

von Rolf Lohberg

Hier regierte der Bürgerstolz

Am Bodensee liegen vier Reichsstädte. Die eine, Lindau, ist inzwischen bayerisch. Eine zweite, Buchhorn, hat Bedeutung und Namen verloren: Aus ihr machte Württembergs König Friedrich sich selbst zu Ehren die Stadt Friedrichshafen.

Die dritte alte Reichsstadt ist - oder war - Konstanz, das nicht nur eine wunderschöne, malerische Altstadt und ein imposantes Münster hat, sondern im Mittelalter die berühmteste Stadt weit und breit war. Vier Jahre lang war sie die Hauptstadt des Abendlandes: während dem Konstanzer Konzil (von 1414 bis 1418), bei dem es um Ordnung und Reform in der Kirche ging.

Immerhin behaupteten damals nicht weniger als drei Päpste, der legitime Nachfolger des Apostels Petrus zu sein. Ohne das Attribut als Freie Reichsstadt hätte Konstanz das Konzil nicht bekommen. Aber ausgerechnet dieses berühmte Konstanz hat gegenüber anderen und viel kleineren Orten einen herben Makel: Es war lediglich knappe 175 Jahre Reichsstadt, Nur bis 1548, als Österreicher die Stadt kassierten und lange nicht mehr freigaben.

Und mit der reichsstädtischen Taufgeschichte ist es auch so eine Sache: Mehr oder weniger galt den Konstanzern das Jahr 1192 als Termin der Reichsfreiheit. Aber moderne Historiker fanden heraus, dass man einer zweifelhaften Urkunde aufgesessen war. Das richtige Jahr ist wohl 1375. Und die Konstanzer hatten alle Hände voll zu tun, um das für 1992 geplante Reichsstadt-Jubiläum wieder abzublasen.

Die vierte Reichsstadt am See, Überlingen, ist längst nicht so berühmt wie Konstanz. Aber sie ist das Muster einer süddeutschen Reichsstadt schlechthin, nach ihrer Geschichte wie nach der erhaltenen baulichen Substanz.

Der Kalender von Überlingen zeigt, wie sich eine vom Bürgersinn geprägte mittelalterliche Stadt seriös zu entwickeln hat: 770 die erste urkundliche Erwähnung. 1180 das Privileg als Markt. 1211 als Stadt erwähnt. 1275 verbriefte Unabhängigkeit in Gerichts- und Steuersachen. 1308 Zunft-Verfassung und Gemeindeversammlung, die mit dem Bürgermeister (der "Ulrich am Ort" heisst) die Stadt regiert. 1379 der "Blutbann", also die Hohe Gerichtsbarkeit. 1415 Reichsmünzstätte, 1420 das Zollrecht. 1489 bekommt Überlingen - allerdings später als manche andere Stadt - Sitz und Stimme im Reichstag, ist vollgültige "Freie Reichsstadt".

Wenn man dann noch sieht, was aus jener Zeit in Überlingen stehenblieb (nämlich fast alles), dann kann man die Überlinger verstehen, die das Jahr 1802, als sie sich - Reichsstadt ade! - in einem schlichten badischen Städtchen wiederfanden, am liebsten aus dem Kalender streichen würden.

>> Schwäbische Reichsstädte V


© by PhiloPhax - Lauftext
Weitere Publikationen: Reiserat <> Schwarzwald.net <> Neckarkiesel